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Tü-Ta-Ta-Molekül

"Soll ich euch den Text vorlesen? Die Audiodatei findet ihr ganz unten auf der Startseite."


Aldehydgruppe, Aldose, Fructose, Glucose.

Und wieder mal versteh ich nur Bahnhof.

Diese Worte, ich bin doch kein Sprachphilosoph.

Die letzte Prüfung ist nicht lange her,

und trotzdem geht was schief beim Datentransfer.

Je mehr ich versuche, in meinem Gehirn Wasserstoffbrückenbindungen zu erstellen,

desto weniger gelingt es mir, meinen Kopf zu erhellen.

Warum muss ich das alles eigentlich können,

ich würde mir grad lieber ein Schläfchen gönnen.

Ich frag mich, was brauch ich denn wirklich fürs Leben?

Bestimmt nicht auf nem Stuhl im Chemiezimmer kleben.

Während meine Gedanken wie Bienen zur Tür hinaus schwärmen,

überlege ich wofür es sich lohnt in der Schule zu lernen.

Die meisten von uns werden sowieso bald vergessen,

was wir heute an Schulstoff in uns rein fressen.

Ein gutes Zeugnis würd mich schon freuen,

aber würd ich ein schlechtes in zehn Jahren bereuen?

Wer wird uns denn später im Leben schon quizzen,

was wir noch über Syntax und Kosinus wissen?

Entschuldigen sie den Galgenhumor,

und stellen sie sich bitte folgendes vor:


Guten Tag Frau Gärtnersfrau

Sie wollen sich also bei unserer Firma bewerben?

Zuerst sollten sie wissen, dass wir keinen Wert auf soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit legen. Bestenfalls haben sie neben der Arbeit keine weiteren Interessen. Des Weiteren sollten sie sich mit Merksprüchen für Tonarten, Gedichtinterpretationen und Tü-ta-ta Molekülen auskennen.


Nicht ein sehr realistisches Bewerbungsgespräch, nicht wahr?

Aber zum Glück geht es für mich bis dahin noch ein paar Jahr.

Falls es sie interessiert, das ganze Gespräch findet sich weiter hinten, im Glossar.

Spätestens im Altersheim interessiert es keinen mehr,

was ich gelernt hab über Magnetfelder und Homer.

Ich sehe mich schon, wie ich dann im Schachclub sitze,

und lache über meine Lieblingswitze.

Ich erinnere mich zurück an alte Zeiten,

Blättere in meinem Gedächtnis durch die verstaubten Seiten.

Denke an all die Leute,

denen ich etwas bedeute.

Die mir täglich zur Seite standen

Und immer wieder zu mir fanden.

Ich denke an meine Freundin Elise,

die mir half durch jede Krise.

Und an meinen Bruder Peter,

der mich stützte auf jedem Meter.

Auch an Anette denke ich,

die nie von meiner Seite wich.

Die nächste Seite ist leer,

ich erinnere mich nicht mehr.

Meine Schulnoten standen früher dort,

Doch die sind jetzt weit, weit fort.


Und als meine Gedanken endlich den Weg zurück in den Chemieunterricht finden.

Weiss ich noch immer nicht, dass sich beim Tü-Ta-Ta Molekül Kohlenstoffe an Wasserstoff binden.




















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